Vor der Morgenröte

Mittwoch, 21. Sept. 2016, 19.30 Uhr:

Regie & Drehbuch: Maria Schrader
Kamera: Wolfgang Thaler
Musik:  Tobias Wagner
Darsteller: Josef Hader, Barbara Sukowa, Aenne Schwarz u.a.

A/D/P 2016, 105 Min.

Die Frage ist einfach, doch die Antwort gestaltet sich kompliziert.
Ob er ein Statement abgeben könne zur Situation in Deutschland, nachdem die Nationalsozialisten gerade die Wehrpflicht auf zwei Jahre erhöht haben. Der Mann blickt gequält – nicht etwa, weil er keine Meinung zur gefährlichen Entwicklung in Deutschland hätte. Aber er sei Schriftsteller, kein Politiker, entgegnet er dem Fragesteller.
Die anwesenden Journalisten auf dem PEN-Kongress in Buenos Aires 1936 reagieren mit Unverständnis auf diese Aussage Stefan Zweigs (Josef Hader). Zählt er doch zusammen mit Thomas Mann zu den meistübersetzten deutschsprachigen Autoren („Schachnovelle“, „Sternstunden der Menschheit“), also erwartet die Weltöffentlichkeit von dem jüdischen Intellektuellen eine klare Stellungnahme. Doch sein Schweigen, erklärt dieser einem Journalisten unter vier Augen, entspringt einer inneren Überzeugung: "Jede Widerstandsgeste, die kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig."

Die Exiljahre 1934 bis 1942 führen den 1881 in Wien geborenen Stefan Zweig über London und New York nach Brasilien.
Tausende Kilometer von seiner Heimat entfernt, befindet er sich zwar mit seiner zweiten Frau Charlotte (Aenne Schwarz) in Sicherheit - sogar der Hund konnte  vor den Nazis gerettet werden-  und ist finanziell abgesichert, doch seine privilegierte Situation löst in ihm Schuldgefühle aus.
Die Berlinerin Maria Schrader findet in ihrer nach „Liebesleben“ zweiten Regiearbeit ruhige, psychologisch aufgeräumte Bilder für diese inneren Konflikte. Aus sechs Kapiteln besteht ihr Film. Sechs Stationen im Leben Stefan Zweigs über einen Zeitraum von sechs Jahren, die diskret die Frage umkreisen, warum er und Lotte sich am 23. Februar 1942 im brasilianischen Petrópolis das Leben nahmen. Zweig neigte zwar zu Depressionen, auch seine Romane waren von einer sanften Melancholie durchzogen. Doch Schrader interessiert sich in erster Linie für die Exil-Erfahrung, die den Schriftsteller in seinen letzten Lebensjahren in eine tiefe Verzweiflung stürzte.
Überzeugend spielt Star-Kabarettist Josef Hader den sensiblen, ambivalenten Schriftsteller, glänzt ohne jede Tendenz zur Übertreibung. Besonders im Zusammenspiel mit dem Fassbinder-Star Barbara Sukowa als seine erste Frau Friderike entwickeln sich szenisch unvergleichlich dichte Gefühlsmomente.
 

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