Das Zimmer meines Sohnes

Regie: Nanni MORETTI
Drehbuch: Linda FERRI, Nanni MORETTI
Kamera: Giuseppe LANCI
Musik: Nicola PIOVANI
Mit: Nanni MORETTI (Gioavanni), Laura MORANTE (Paola), JasmineTRINCA, Giuseppe SANFELICE, Silvio ORLANDO, Claudia della SETA u.a.

I 2001, ca. 110 Min.

Mittwoch, 13. Feb. 2002

Der Psychoanalytiker Giovanni führt mit seiner Frau Paola und seinen beiden Kindern im Teenager-Alter in der Hafenstadt Ancona ein durchschnittlich harmonisches Familienleben. Als jedoch Andrea, der 17jährige Sohn, bei einem Tauchunfall ums Leben kommt, stürzt das ausbalancierte Gefüge der Familie in sich zusammen.

Giovanni gibt sich die Schuld am Tod seines Sohnes, weil er zum Zeitpunkt des Unfalls eigentlich mit Andrea joggen wollte, dann aber schnell zu einem Patienten musste. Er ist unfähig, seiner Trauer Ausdruck zu verleihen, er zieht sich zurück, entfernt sich immer mehr von seiner Frau, kann seinen Beruf schließlich nicht mehr ausüben.
Erst die der Familie bis dahin unbekannte Freundin seines Sohnes, die bislang verborgene Seiten von Andrea offenbart, sich gerne an ihn erinnert und trotzdem weiterlebt, kann das Eis brechen.

Nach CARO DIARIO und APRILE - zwei Filmen mit starkem  autobiographischem Bezug – hat sich Moretti diesmal dem Mikrokosmos einer Familie zugewandt, der ins Wanken gerät, als einer seiner Teile herausbricht.
Die Bilder, die er dafür gefunden hat, sind einfach, aber kraftvoll, mitunter schonungslos realistisch. Die Hilflosigkeit der einzelnen Familienmitglieder im Umgang mit dem Unfassbaren wird deutlich, vor allem die Giovannis, der sich immer mehr in Gedankenspiele verstrickt, in denen er die Zeit  zurückdreht und mit Andrea durch die Straßen joggt und so seinen Sohn und nicht seinen selbstmordgefährdeten Patienten, zu dem er an jenem Tag gefahren ist, vor dem Sterben bewahrt. In einem Geschäft lässt sich Giovanni eine Platte von Brian Eno empfehlen, als Geschenk an seinen toten Sohn. Der Song „By this River“ liegt über dem Film wie der Himmel über der Außenwelt der Menschen – übermächtig, unerreichbar und fremd: „Here we are, stuck by this river. You and I underneath a sky that’s ever falling down, down, down.“ Der Himmel fällt, unendlich lang scheint das zu dauern – aber irgendwann hebt er sich wieder, unmerklich fast.

Filme von Nanni Moretti: ECCE BOMBO (Der Nichtstuer), 1978, ein großer Erfolg in Italien; SOGNI D’ORO (Goldene Träume), 1981, Gold. Löwe in Venedig; LA MESSA È FINITA (Die Messe ist vorüber), 1986, Silberner Bär in Berlin; PALOMBELLA ROSSA, 1989, eine Komödie über einen kommunistischen Politiker.
Mit CARO DIARIO (Liebes Tagebuch), 1993, und APRILE, 1998, ist Moretti zu einer Art Lokalheld geworden, ein römischer Don Quichotte, der auf seiner Vespa gegen die Windmühlenflügel der Dummheit, des Egoismus, der Überheblichkeit und der Intoleranz anstürmt. Er nimmt das Leben  seiner Mitbürger unter die Lupe der Ironie, die Reichen und die Mittelständler, die Politiker und auch die „kleinen Leute“.