Guantanamera

Regie: Tomás Gutiérrez Alea
Drehbuch: Eliseo Alberto Diego u.a.
Kamera: Hans Burmann
Musik: José Nieto
Mit: Mirta Ibarra, Jorge Perugorría, Carlos Cruz, Raúl Eguren, Pedro Fernández u.a.

Kuba1995 Ca. 100 Min.

Mittwoch, 24. Okt. 2001

Wer kennt es nicht, das Lied Guantanamera, dessen Text auf einem Gedicht von José Martí (1853-1894), Cubas berühmtem Dichter und Freiheitshelden, beruht? Das Wort bezeichnet eine Frau aus der cubanischen Stadt Guantánamo. Mit dem Lied selbst hat der Film nicht direkt zu tun; es klingt lediglich als Grundthema der sehr guten Musik an.

Die „Guantanamera“, von der sich Titel und Untertitel ableiten, ist Georginas Tante Yoyita, eine in Havanna berühmte Sängerin, die nach 50 Jahren wieder nach Guantánamo zurückkehrt und dort gleich zu Anfang des Films glücklich in den Armen ihrer Jugendliebe Cándido verstirbt.

Ein Handlungsstrang des Films ist die Überführung der Toten nach Havanna. Organisiert wird dieser Transport von Georginas Mann, dem Bürokraten Adolfo, der, bei der Partei in Ungnade gefallen, durch einen bis zur letzten Minute griffelspitzig ausgedachten Etappenplan viel Geld sparen und sich dadurch wieder beliebt machen will.

Dieser Handlungsstrang überschneidet sich immer wieder mit dem zweiten – der Fahrt eines von Mariano und Ramón gelenkten Fernlasters auf derselben Strecke. Gemeinsames Element der beiden Stränge sind Mariano und Georgina. Einst war er ihr Student in Wirtschaftswissenschaften, bevor sie die Dozentur wegen ständiger Schikanen durch die KP aufgab und er das Ingenieurstudium schmiss.

Im Verlauf des Films entwickelt sich die Liebesgeschichte Marianos und Georginas – er entscheidet sich nach und nach mehr oder weniger freiwillig, seine diversen Liebschaften (eine an jeder Tankstelle) aufzugeben, sie vollzieht die Loslösung von ihrem Mann.

Der im Frühjahr 1996 verstorbene Tomás Gutiérrez Alea bewies schon in den 60er Jahren seine Fähigkeit, Systemkritik mit Humor zu verbinden. Anstatt die Missstände in seiner Heimat gnadenlos anzuprangern, gibt er sie dem Spott preis. GUANTANAMERA ist Aleas wunderbares Vermächtnis an die Nachwelt.

Filme aus KUBA gehören zu den interessantesten und vielseitigsten (nicht nur) Lateinamerikas. Zwar haben die anhaltende Wirtschaftskrise und die politische Erstarrung die kubanische Filmindustrie schwer getroffen, die wenigen Produktionen, die noch realisiert werden können, finden jedoch meist ihren Weg auf den internationalen Markt. Spätestens seit ERDBEER UND SCHOKOLADE ist der kubanische Film auch in Europa zum Gütesiegel geworden, und gerade die "Altmeister" wie Juan Carlos Tabío und der 1996 verstorbene Tomás Gutiérrez Alea überzeugten und überzeugen mit ihren Satiren auf Lebensstil und Politik ihrer Heimat. Das ungebrochene Interesse an Kuba und dem kubanischen Film bezeugt auch die Tatsache, dass sich vermehrt europäische Filmemacherinnen und Filmemacher auf  Spurensuche nach Kuba begeben. Mit "Buena Vista Social Club" von Wim Wenders setzte der Boom ein, aber die Niederländerin Sonia Herman Dolz war bereits ein Jahr früher auf der Insel, um einen Film über das kubanische Quintett "La Vieja Trova Santiaguera" zu drehen: LAGRIMAS NEGRAS.