Hundstage

Regie: Ulrich SEIDL
Drehbuch: Ulrich SEIDL u. Veronika FRANZ
Kamera: Wolfgang THALER
Mit: Alfred MRVA, Maria HOFSTÄTTER, Georg FRIEDRICH, Christine JIRKU, Viktor HENNEMANN u.a.

Ö 2001, ca. 120 Min.

Mittwoch, 24. April 2002


Wochenende, Zeit der Hundstage. Es ist drückend heiß im Niemandsland zwischen Autobahnzubringern, Einkaufsmärkten und Einfamilienhaussiedlungen südlich von Wien. Die Temperatur steigt, die Aggression steigt.

In dieser Atmosphäre erzählen sechs Geschichten, denen Ort und Zeit des Geschehens gemeinsam ist, von Alltag und Aggression; von Nächten voller Lieder und Spiele, Sex und Gewalt. Von Tagen voller Einsamkeit, Verlust von Liebe, der Sehnsucht nach Lebe. Ein Film über das Leben in seiner Verletzlichkeit und Intimität, aber auch in seiner Lächerlichkeit. Dem befreienden Lachen stellt Seidl aber zumeist die Verstörung an die Seite: HUNDSTAGE ist nicht zuletzt deswegen ein Film von großer Intensität, weil der Spaß manchmal so unmerklich in Gewalt übergeht, dass man den Punkt des Umschwungs kaum festzustellen vermag.

Die einen braten in der Sonne, die anderen machen die Schotten dicht und ziehen sich in abgedunkelte Innenräume zurück, um dort alltäglichen Verrichtungen nachzugehen, Sex zu haben oder die Zeit totzuschlagen.

Dass Seidl einen relativ schonungslosen Film gedreht hat, wird angesichts seiner bisherigen Arbeiten kaum überraschen. Wie in allen Filmen Seidls erschreckt auch diesmal die Selbstverständlichkeit, mit der die Menschen Dinge tun, denen das durchschnittliche Publikum verständnis- bis fassungslos gegenüberstehen wird. Daran ändert der fiktionale Anteil wenig. Ab und zu gönnt Seidl dem Betrachter dann doch ein wenig Ruhe, zeigt halbnackte Menschen, die in den Vorgärten einer sterilen Wochenendsiedlung ihre glänzenden Leiber der Sonne entgegenrecken. Oder er informiert uns mit kuriosen Top-Ten-Listen über die schlimmsten Krankheiten, die wichtigsten Supermarkt-Ketten oder gar die beliebtesten Stellungen der Österreicher.

HUNDSTAGE ist ein körperlicher Film, nicht nur, weil er Körper so sehr ins Zentrum rückt, sondern auch, weil er dem Zuschauer über die spürbare, bewegte Präsenz der Kamera quasi doppelt nahe rückt.

So wirkt HUNDSTAGE wie der Gegenentwurf zur verlogenen Hochglanz-Ästhetik, die uns tagtäglich in der Werbung, in Mainstream-Filmen oder perfekt gestylten TV-Movies berieselt.

Die meisten Rollen besetzte Seidl mit Laien, die ihren "Job" allerdings derart gut machen, dass ihre völlig abstrusen und ungewöhnlichen Figuren extrem realistisch und glaubwürdig wirken, sodass nahezu ununterscheidbar bleibt, ob eine Rolle gespielt wird, oder ob es sich um eine Selbstdarstellung handelt.

In Venedig wurde HUNDSTAGE mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.

Weitere (Dokumentar)Filme von Ulrich Seidl:

Good News (1990), Die letzten Männer (1994), Tierische Liebe (1995), Models (1999), Jesus, du weißt (2003), Import-Export (2007).
Zahlreiche internationale Preise.

Seidl: „Meine Filme sind insofern alle politisch, als sie gesellschaftskritisch sind. Sie sind ein Spiegel der Gesellschaft, vielleicht so etwas wie Sittengemälde. sie sind nie aktuell politisch, weil es darin letztlich immer um sehr essentielle Dinge des Lebens geht: um Einsamkeit, verlorene  Liebe, um Dinge also, die uns alle beschäftigen.“


Zum anschließenden Publikumsgespräch mit Regisseur Ulrich SEIDL s. VERANSTALTUNGEN (Archiv).