Im toten Winkel – Hitlers Sekretärin

Regie: André HELLER u. Othmar SCHMIDERER
Kamera u. Ton: Othmar SCHMIDERER

Ö 2002, ca. 90 Min.

Mittwoch, 4. Dez. 2002

An Adolf Hitler gerät das aufgeschlossene Mädchen Traudl Humps durch einen Zufall und Leichtsinn, wie sie später sagt. Ein Schreibmaschinenwettbewerb in der Reichskanzlei beschert der 22jährigen 1942 einen Termin beim „Führer“. Der senkt seinen Blick in ihre Augen - und fortan, bis zum Zusammenbruch der Naziherrschaft, ist sie eine von vier Privatsekretärinnen Hitlers.
Wie viele andere vom privaten Charme Hitlers eingenommen, heiratet sie im neuen Umfeld den Adjutanten Junge. Sie arbeitet für Hitler im Führerhauptquartier in der Wolfsschanze, im Berghof am Obersalzberg und in Berlin. 1944 wird sie Zeugin des missglückten Stauffenberg-Attentats.

Sie erlebt die letzten Kriegstage und den Selbstmord Hitlers im Führerbunker der eingekesselten Hauptstadt, sie ist es, der Hitler sein „Testament“ diktiert. Wo Hitler auch hinfährt, drei Jahre lang reist Traudl Junge im Tross mit.

Der Kriegsverlauf, die Judenvernichtung, der Bombenkrieg dürfen in Hitlers privater Umgebung niemals erwähnt werden. Die freundliche Banalität im Führerbunker, wo Hitler täglich mit seinen Sekretärinnen speist, steht in absurdem Widerspruch zur Vernichtungspolitik des NS-Regimes.

In Traudl Junges Erinnerung ist Hitler ein gutmütiger Herr mit kauzigen Marotten. „Wissen Sie, ich hatte nie das Gefühl, dass er bewusst verbrecherische Ziele verfolgt. Für ihn waren das Ideale, für ihn waren das große Ziele und dafür ist er über Leichen gegangen. Aber das ist mir auch erst hinterher klar geworden, denn in dem inneren Kreis, in seiner Umgebung, in seinem privaten Bereich, da war ich ja sozusagen abgeschirmt von den größenwahnsinnigen Projekten und von den barbarischen Maßnahmen.“

Über Jahrzehnte hatte Traudl Junge über ihre Vergangenheit geschwiegen. Kurz nach der Veröffentlichung ihrer Biographie „Bis zur letzten Stunde“ brach die 81jährige für Dokumentarfilmer Othmar Schmiderer und André Heller ihr Schweigen auch vor der Kamera.

Ganz ohne spektakuläre Effekthascherei steht einzig die Erzählerin im Mittelpunkt.
Ernsthaft, offen und schonungslos spricht sie über ihr Leben, ihre Erinnerungen, ihre Verstörungen und Selbstreflexionen. sie redet sich Verzweiflung und Schuldgefühl von der Seele und kann dem „jungen, kindischen Ding, das sie einmal war und das Sympathie für Hitler empfand“, nicht verzeihen.

Ein außergewöhnliches Zeitdokument, das auf der Berlinale 2002 mit dem Panorama-Publikumspreis geehrt wurde.

Traudl Junge verstarb nach schwerer Krankheit in der Nacht des 11. Februar 2002, wenige Stunden nach der Uraufführung des Films.