Der stille Amerikaner

Regie: Phillip NOYCE
Drehbuch: Christopher HAMPTON, Robert SCHENKKAN (
nach dem Roman „THE QUIET AMERICAN“ von Graham Greene)
Kamera: Christopher DOYLE
Musik: Craig ARMSTRONG
Mit: Michael CAINE (Thomas Fowler), Brendan FRASER (Alden Pyle), Do Thi Hai Yen (Phuong), Rade SERBEDGIA (Insp. Vigot), Tzi Ma (Hinh) u.a.

Australien/USA 2002, ca. 100 Min.

Mittwoch, 26. Nov. 2003

Saigon, 1952. Vietnam und ganz Indochina befinden sich noch unter französischer Herrschaft. Während in den nördlichen Landesteilen Vietnams die kommunistische Kampffront Viet Minh die französische Kolonialmacht immer stärker unter Druck setzt, versucht die amerikanische Regierung, den Süden Vietnams durch Hilfslieferungen und wirtschaftliche Unterstützungsprogramme, aber auch militärische „Berater“, zu stabilisieren. Schon in den frühen 50er Jahren, lange vor der offiziellen Truppenentsendung (ab 1964), mischen die USA also bereits mit und unterstützen ohne Zögern den skrupellosen „General“ Thé, weil sie glauben, er könne ihnen im Kampf gegen den Kommunismus dienlich sein.

Im Zuge dieser Strategie ist Alden Pyle in Saigon eingetroffen. Der junge, von missionarischem Eifer angetriebene, idealistische Amerikaner, der vorgibt, hier ein medizinisches Hilfsprojekt mitaufzubauen, in Wirklichkeit aber für den CIA (bzw. deren Vorgängerorganisation) tätig ist, findet in dem zynischen, illusionslosen ‚Times’-Reporter Thomas Fowler (Michael Caine in einer Glanzrolle) unerwartet einen Freund, der ihn in die Kultur und die Sitten des Landes einführt.

Wie schon Fowler vor vielen, vielen Jahren, zeigt sich auch Pyle verzaubert von der Exotik und der verführerischen Aura Vietnams. Alle Sehnsüchte und Wünsche scheinen sich hier für ihn zu erfüllen – ganz besonders als Pyles Blick erstmals auf Phuong (Do Thi Hai Yen) fällt, die schöne junge Geliebte Fowlers.

Ein delikates Dreiecksverhältnis beginnt, in dem keiner wirklich mit offenen Karten spielt und das durch die dramatischen Ereignisse des heran rückenden Krieges an zusätzlicher Brisanz gewinnt.

Philipp Noyces („Long walk home“) Verfilmung des Romans von Graham Greene ist fulminant: In Vietnam, das wird sehr schnell deutlich, ist nichts, wie es scheint.

Ein Thriller, der Vietnam nicht mit Blut- und Gewaltorgien abhandelt, sondern auf die spannungsgeladene Psychologie im Dreiecksverhältnis von zwei Männern und einer Frau setzt.
Mit dem Wissen um das weitere Schicksal Indochinas wirft Noyce einen ironischen Blick auf das unheilvolle Ringen alter und neuer Kolonialkräfte. Die Franzosen, die ihren Besitzstand wahren wollen, und die Amerikaner, die mit Nachdruck in die Machtlücke nachrücken, beobachtet von einem desinteressierten, gelangweilten Briten, der erst wachgerüttelt wird, als er bemerkt, dass auch seine scheinbar sichere Oase in Gefahr gerät. Als alternder britischer Journalist mit trockenem Humor und scharfem Verstand läuft Michael Caine im Kampf um seine vietnamesische Geliebte zur schauspielerischen Höchstform auf. Er erhielt für seine Leistung eine Oscar-Nominierung.

Wie bereits Graham Greenes Romanvorlage von 1955 war auch Phillip Noyces Film seiner Zeit voraus. Weil im Buch die Mitschuld der USA an terroristischen Akten in Indochina um 1952 thematisiert wird, hat man im September 2001 davon abgesehen, den Film in die Kinos zu bringen.


Dass der zweite 2002 gedrehte Film von Phillip Noye, LONG WALK HOME, im selben Semester auf dem Spielplan stand, war dem Zufall zu vedanken - s. 15.10.2003