Göttliche Intervention

Regie u. Drehbuch: Elia SULEIMAN
Kamera: Marc-André BATIGNE
Mit: Elia SULEIMAN, Manal KHADER, Nayef Fahoum DAHER, George IBRAHIM u.a.

F/Palästina 2002, ca. 95 Min.

Mittwoch, 10. Dez. 2003

Zum Tag der Menschenrechte

Surreal, komisch, aber auch traurig oder schlicht absurd sind die Momente, die der palästinensische Regisseur Elia Suleiman in seinem Spielfilm über den arabisch-israelischen Konflikt beschreibt.

Mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet: Großer Preis der Jury, Cannes 2002, u.a.

Hinter einer augenscheinlichen Normalität herrscht in der Stadt Nazareth der blanke Wahnsinn. Unter dem Druck seiner zurückgehenden Geschäfte beschließt ein Mann, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Er versucht so, den Teufelskreis der kleinen Privat-Fehden zu durchbrechen. Doch er selbst ist es, der dabei zusammenbricht. Dieser Mann ist der Vater von Elia Suleiman.

Eine Liebesgeschichte entspinnt sich zwischen einem Palästinenser, der in Jerusalem lebt, und einer Palästinenserin aus Ramallah. Der Mann, Elia  Suleiman, pendelt zwischen seinem hilfsbedürftigen Vater und seiner Geliebten hin und her. Er möchte beiden gerecht werden. Wegen der politischen Situation endet die Bewegungsfreiheit der Frau bei dem Kontrollpunkt der israelischen Armee zwischen den beiden Städten. Da es für die beiden nicht möglich ist, die Grenze zu überschreiten, finden ihre zärtlichen Begegnungen auf dem Streifen Niemandsland gleich neben dem Grenzstützpunkt statt. Den Liebenden ist es nicht möglich, die Wirklichkeit frei von der Besatzung zu sehen. Sie sind auch nicht fähig, im Angesicht dieser Belagerung ihre eigene Intimität zu bewahren. Wo die Leidenschaft langsam Gewaltbereitschaft erzeugen könnte, reagiert das Paar in unglaublich phantasievoller Weise.

«I couldn’t shoot in Palestine because other people were shooting». (Elia Suleiman)

Aus einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
FAZ: In der langen Schlussszene Ihres Films wehrt eine als Ninja-Kämpferin auftretende Palästinenserin israelische Soldaten mit einem goldenen Schild ab, der die Umrisse Palästinas vor 1948 zeigt. Das könnte israelische  Zuschauer durchaus aufregen.
ES: Welche Art von Palästina hätte ich auf dem Schild denn zeigen sollen? Dies ist das historische Palästina! Israel hat dieses Land vor fünfzig Jahren besetzt. Sie haben es seinen Bewohnern weggenommen und sie vertrieben. Wenn sie diese geschichtliche Tatsache endlich anerkennen, können wir damit klarkommen. Es geht nicht darum, etwas zurückzugewinnen. Die ganze Szene spielt sich ja sozusagen in Anführungszeichen ab, ihre Metaphorik ist grotesk übertrieben. Sie enthält kein politisches Statement.
FAZ: Wie kommen Sie auf solche Bilder - schauen Sie einfach aus dem Fenster und lassen sich inspirieren?
ES: ... Auch das israelische Werbeplakat für Schießübungen ist nicht erfunden. Während der ersten Intifada sah man überall an den Autobahnen solche Plakate. Fast jede Szene geht auf wirkliche Ereignisse zurück. Selbst der Mord an dem Nikolaus in Nazareth: Vor ein paar Jahren wurde im Norden Israels ein Weihnachtsmann mit einem Messer angegriffen. Ein Freund hat mir die Geschichte erzählt. Der Rest ist meine Vorstellung.
FAZ: Die Palästinenser in "Göttliche Intervention" scheinen sich insgesamt in einer Art Wartezustand zu befinden.
ES: Der Film spielt in Nazareth, in einem palästinensischen Ghetto auf israelischem Boden. Es ist da wie in allen Ghettos: Die Leute sind arbeitslos, gelangweilt, hängen herum ohne Hoffnung auf bessere Zeiten. Sie lassen ihre Frustration aneinander aus.


Kurbericht über die Diskussion im Anschluss: s. VERANSTALTUNGEN (Archiv)