Reise zur Sonne

Regie u. Drehbuch: Yesim USTAOĞLU
Kamera: Jacek PETRVCKI
Musik: Vlatko STEFANOVSKI
Mit: Newruz BAZ (Mehmet), Nazmi KIRIX (Berzan), Mizgin KAPAZAN (Arzu), Ara GÜLER (Mehmets Chef) u.a.

Türkei 1999, ca. 105 Min.

Mittwoch, 27. März. 2002

Erst vor kurzem in Istanbul gelandet, hat der junge Türke Mehmet mit Berzan, einem Kurden aus einem Dorf an der irakischen Grenze, Freundschaft geschlossen. Die politischen Konflikte in seiner Heimat bestimmen Berzans Leben.
Mit den ersten Sonnenstrahlen schiebt Berzan seinen Karren auf einen Platz in Istanbul, um Musikkassetten zu verkaufen. Über spiegelnden Lacken spürt Mehmet mit feinem Gehör und einem mannshohen Hörrohr Rohrbrüchen unter dem Asphalt der Istanbuler Straßen auf. Als Berzan von rechtsnationalistischen Fußballrowdys attackiert wird, eilt ihm Mehmet zu Hilfe. Später sitzen die beiden neuen Freunde mit den Gesichtern gen Sonnenuntergang am Meer und erzählen sich von ihren Heimatorten, ihren Lieben und Träumen. Berzans Vater ist seit einer Razzia des türkischen Militärs „verschwunden”. Doch Berzan träumt davon, zurückzukehren und seine Geliebte zu heiraten. Über Politik spricht er mit Mehmet nicht, obwohl er an einer Aktion zur Unterstützung von Gefangenen im Hungerstreik beteiligt ist. Der unpolitische Mehmet kommt aus einer kleinen Stadt in der  Westtürkei. Er liebt Arzu, die in einer Wäscherei arbeitet und der Diktatur des Vaters zu entwischen weiß. Als Mehmet bei einer Ausweiskontrolle fälschlicherweise des Waffenbesitzes bezichtigt wird, gerät er in die Mühlen polizeilicher Willkür und gesellschaftlicher Ächtung. Wenig später wird  Berzan bei einer Demonstration ermordet, Mehmet bricht auf, um die Leiche in Berzans Heimatdorf zu bringen.

Der Lärm, das Gewühl, der Dreck Istanbuls und die Stille, Öde des Landes verflechten sich zu einem Ambiente aus Gewalt, Trauer, Zärtlichkeit, Wildheit und Weichheit. In Blicken und Gesten, Spiegelungen und Schattenbrüchen, Nebelschatten und Strahlenbündel brechen sich Momente von tiefer Verbundenheit zwischen den jungen Menschen, von Angst, Einschüchterung und innerer Stärke.

Konstant und allgegenwärtig dienen Ausweiskontrollen und Razzias als erzählerische Dreh- und Wendepunkte. Die Heimat Berzans existiert nicht mehr. Mehmet findet nur noch verlassene Dörfer, niedergebrannte Häuser, versehen mit dem roten X, hier wohnten als Staatsfeinde Geächtete - Bilder aus sonst verbotenen Regionen zeigt der Film.

REISE ZUR SONNE ist der erste türkische Film, in dem kurdisch gesprochen wird – noch vor wenigen Jahren wurde YOL - DER WEG von Yilmaz GÜNEY wegen kurdischer Lieder auf der Tonspur verboten.

Die junge türkische Regisseurin, die sich zur Anwältin der Kurden macht, ließ sich zu Berzans und Mehmets Geschichte von Zeitungsartikeln inspirieren und besetzte die Rollen mit Laiendarstellern. Diese Entlehnungen aus der Wirklichkeit setzt sie mit der ergreifenden Musik des Mazedoniers Vlatko Stefanovski in einen lyrischen Erzählfluss. Das  türkische Publikum dankte ihr mit dem Publikumspreis 1999 in Ankara.

Weitere Preise: Berlinale 1999: Friedenspreis und Blauer Engel; Istanbul: bester türkischer Film; Preise bei Festivals in Jerusalem, São Paulo, Valladolid