Atanarjuat - Die Legende vom schnellen Läufer

Regie: Zacharias KUNUK
Drehbuch: Paul Apak ANGILIRQ
Kamera: Norman COHN
Musik: Chris CRILLY
Mit: Natar UNGALAAQ, Pakkak INNUKSHUK, Sylvia IVALY, Peter-Henry ARNATSIAQ, Lucy TULUGARJUK, Pauloosie QULITALIK u.a.

Kanada 2001, ca. 170 Min.

Mittwoch, 25. Feb. 2004

Weder ein ausgefeiltes Drehbuch noch gigantischen technischen Aufwand braucht es, um ein Kinospektakel in die Welt zu setzen. Zacharias Kunuk, Regisseur des ersten Films in der Inuktikut-Sprache der kanadischen Eskimos und Neuling im Spielfilm, scheint zu wissen, was wirklich wichtig ist.
Sein Film hält sich an eine uralte Inuit-Legende, die er von Amateurschauspielern erzählen lässt: Das Böse kommt mit einem fremden Schamanen, plötzlicher als eine Krankheit. Das Familienoberhaupt Kumaglak wird ermordet, und seine Kette mit den Walrosszähnen schmückt den nächsten Anführer Sauri, den eigenen Sohn. Der treibt den alten Rivalen Tulimaq in die Verbannung.

Vatermord, Machtanmaßung und ein Fluch, der der Sippe für eine lange Zeit im Nacken hocken wird – so beginnen große Legenden. Geschichten, in denen sich das Leben in Geburten, Hochzeiten und Beerdigungen vorübergehend zu sortieren scheint, bis unkalkulierbare Kräfte den Kreislauf auf ihre Weise regeln. Bis Eifersucht, Niedertracht, Hass und Rache die alte Ordnung vergiften und von Generation zu Generation wandern.

Das Omen sucht schließlich den Sohn Tulimaqs, Atanarjuat, „den schnellen Läufer“, heim, der beim „Wolf-Spiel“ das Mädchen Atuat fängt und sich in seine „Beute“ verliebt. Doch die junge Frau ist dem Häuptlingssohn Oki versprochen, der das Liebespaar fortan mit Heimtücke, falschen Tränen und in rituellen Duellen zu trennen versucht.

„Atanarjuat – Die Legende vom schnellen Läufer“, der die Goldene Kamera (Cannes 2001) und zahlreiche andere internationale Preise erhielt, ist der erste Film, bei dem bis auf den Kameramann (Norman Cohn) ausschließlich Inuit (frühere Bezeichnung: Eskimos) mitwirkten.

Und der erste, der in ihrer Sprache, Inuktitut, gedreht wurde. 80 Jahre nach Robert J. Flahertys „Nanook of the North“, einem epochalen dokumentarischen Stummfilm aus dem Jahre 1922, zog der Regisseur und Bildhauer Zacharias Kunuk mit dem Drehbuchautor Paul Apak Angilirq aus, die Sprache seines Volkes und dessen Kunst des Geschichtenerzählens zu erforschen. Sie reisten durch die arktische Tundra von Familie zu Familie und sammelten Versionen der etwa 1000 Jahre alten Atanarjuat-Legende.

Entstanden ist keine Volkskundefilm, sondern ein tief beeindruckendes Epos, das aus den mündlichen Überlieferungen eine Bilderwelt aus Weiß, Raum und Licht entstehen lässt. Die unaufdringliche Akribie, mit der Kunuk das Leben seiner Vorfahren rekonstruiert und ihr Gedächtnis bebildert, hat für den Regisseur, der immer noch lieber auf Robbenfang als auf Filmpreisverleihungen geht, auch eine Bildungsfunktion: „Es ist ein Film über unsere Identität, aber auch einer über das Überleben“, sagt Kunuk in der New York Times. „Die jungen Leute unseres Volkes reisen heute von Siedlung zu Siedlung, und wenn ein Sturm kommt, müssen wir sie retten. Sie wissen nicht, wo sie langgehen, haben keine Messer dabei, um sich im Eis Schutzhütten zu bauen, und haben auch keine Ahnung, wie das geht.“