Waltz with Bashir

Regie u. Drehbuch: Ari FOLMAN
ISR/D/F 2008 ca. 90 Min.

Mittwoch, 1. April 2009

War für den Auslands-Oscar 2009 nominiert

Alles beginnt damit, dass sein Freund Boaz dem Regisseur Ari Folman von einem Alptraum erzählt: Jede Nacht wird er von 26 blutgierigen Hunden gejagt. Die beiden sind sich einig, dass dieser Traum etwas mit den Erlebnissen im Libanon-Krieg von 1982 zu tun haben muss. Was Ari verblüfft: Er selbst hat seinen Einsatz von damals vollkommen vergessen. Als 19-Jähriger war er in diesen Krieg gezogen, hatte die Grausamkeit auf beiden Seiten erlebt und das Überleben als seltsames Wunder. Aber was mit ihm und durch ihn geschah, daran fehlt die Erinnerung. Und so macht sich Folman auf die Suche, spricht mit alten Gefährten, mit Zeugen.
Ein zweiter Traum begleitet die Recherche: Junge, nackte Männer kommen aus dem Meer vor Beirut, kleiden sich an und gehen in die Stadt, wo klagende Frauen ihren Weg kreuzen. Die Geburt, das Erwachsenwerden, der Tod, alles in einem Bild, alles in einer Erfahrung.
Immer mehr Bilder kehren zurück.
Nach vier Jahren Suche ist Ari Folman an der Schlüsselszene seiner verschütteten Kriegsbiografie angelangt, dem Massaker von Sabra und Schatila, bei dem – unter den Augen der israelischen Armee - in einem palästinensischen Flüchtlingslager westlich von Beirut bis zu 3000 Männer, Frauen und Kinder von den christlichen Falangisten ermordet wurden. Ein Rachefeldzug für ein – vermutlich vom syrischen Geheimdienst, nicht von Palästinensern verübtes – Attentat, bei dem auch ihr Anführer, Präsident Bashir Gemayel ums Leben gekommen war.

Folmans Eltern waren in Auschwitz, er selber wirft sich unbewusst vor, durch seinen Einsatz in der Nähe von Sabra und Schatila zum Nazi geworden zu sein Es sind Realaufnahmen, mit denen der Film endet – wiedergewonnene Erinnerung, die Toten und die Untröstlichkeit der Überlebenden. Der Film »sieht« das, während der junge Ari die Hände vors Gesicht schlägt.

„Waltz with Bashir“ ist ein Dokumentarfilm, der Folmans eigene Reise in seine Vergangenheit beschreibt. Er versucht seine Gedächtnislücken zu stopfen, bis ihm eine Analytikerin erklärt, dass Erinnerungen keine aufbewahrten Objekte, sondern stets neu hervorgebrachte Produktionen seien. Die fehlenden Bilder seien nicht einfach vom Trauma weggesprengt worden. Vielmehr verfolge die an ihre Stelle getretene Deckerinnerung einen Zweck.

Dass Folman als Form dazu eine raue Animation im Stil französischer Comics der achtziger und neunziger Jahre wählt, scheint auf den ersten Blick vor allem eine distanzierende Art der Verfremdung. Schließlich geht es um Dinge, die die Möglichkeit einer »realistischen« Inszenierung ebenso übersteigen wie die der Collage von Dokumenten. Aber mittlerweile hat der „dokumentarische Comic“ auch eine künstlerische Tradition (vgl. „Maus“ von Art Spiegelman, „Persepolis“ von Marjane Satrapi).