Vier Leben

Regie u. Drehbuch: Michelangelo FRAMMARTINO
Kamera: Andrea LOCATELLI
Musik: Paolo BENVENUTTI
Mit: Giuseppe FUDA, Bruno TIMPANO, Nazareno TIMPANO u.a.

I/D/CH 2010, ca. 90 Min.

Mittwoch, 23. Mai 2012

Ein Greis, ein Hund und ein Zicklein in Hauptrollen, dazu zweihundert Ziegen als Statisten – schon die Besetzung deutet an, dass es sich hier um einen außergewöhnlichen Film handelt.

Ein alter Ziegenhirte hütet in den Bergen Kalabriens seine Herde, am Abend kehrt er ins Dorf zurück. Gegen seinen schlimmen Husten trinkt er ein Gebräu aus Wasser und Staub, der in der Kirche gesammelt wird.
Als er diese „Medizin“ verliert, stirbt er in der folgenden Nacht, während die Ziegen sich um ihn scharen und förmlich Totenwache halten.
Die Seele des Hirten findet in einem neugeborenen Zicklein eine zweites Zuhause, geht nach dessen Tod dann in eine mächtige Tanne über und, als diese in einem Meiler in Kohle verwandelt wird, in ihre (vorerst) letzte Heimstatt.
Bevor der Meiler geschlossen wird, gewährt Regisseur Michelangelo Frammartino den Überresten der Tanne einen letzten, subjektiven Blick  auf den Himmel. Dieser Moment besitzt nicht weniger Wehmut, als man  ihn beim Blick aus dem Grab eines Menschen verspüren würde.

Mensch, Tier, Pflanze und Mineralien stehen gleichwertig nebeneinander.
Statt auf Dialoge vertraut der Mailänder Frammartino in seinem zweiten Kinofilm (Originaltitel: LE QUATTRO VOLTE) lieber auf eine Tonspur mit Naturgeräuschen wie Hundegebell, Ziegenglocken oder dem Rauschen des Windes. Wie er selbst sagt, wurde er von der Lehre des Pythagoras inspiriert. Der griechische Denker war im 6. Jahrhundert v. Chr. nach Kroton gezogen, gelegen im heutigen Kalabrien, dem Schauplatz von Le quattro volte. Der Philosoph glaubte an Seelenwanderung, betonte die Wesensverwandtschaft von Mensch und Tier und propagierte eine bescheidene, frugale Lebensführung.