La nube – Die Wolke

Regie u. Drehbuch: Fernando E. SOLANAS (mit Auszügen aus dem Theaterstück „Globos Rojos“ von Eduardo Pavlovsky)
Kamera: Juan Diego SOLANAS
Musik: Gerardo GANDINI
Mit: Eduardo PAVLOVSKY (Max), Angela CORREA (Fuló), Franklin CAICEDO (Enrique), Carlos PÁEZ (Cachito), Leonor MANSO (Sonia) u.a.

ARG 1997, ca. 120 Min.

Mittwoch, 23. Okt. 2002

In Buenos Aires regnet es ohne Unterlass. Über der Stadt hängt die im Titel angesprochene Wolke, die alles in ein fahles Zwielicht taucht. Viele haben den Widerstand bereits aufgegeben und laufen rückwärts durch die Straßen. Doch die Schauspieler des „Spiegel-Theaters“ kämpfen weiter gegen Zuschauerschwund, Geldmangel und das Diktat des Unterhaltungsmarktes.

Das Theater in der alten Werfthalle am Stadtrand war einmal eine revolutionäre Kulturinstitution, sein charismatischer Leiter Max (Eduardo Pavlovsky, der diese Funktion auch in Wirklichkeit innehat) ein mephistophelischer Komödiant, der große Vor- und Querdenker seiner wilden Generation. Aber jetzt sind auch in Buenos Aires die Funktionäre am Wort. Da das Theater in einem sogenannten urbanen Entwicklungsgebiet liegt, soll es dem Profit geopfert werden.

Es kommt somit zum Kampf Davids gegen Goliath, Max mit seiner Truppe  gegen die arrogante Bau-Mafia und eine kafkaesk wuchernde Bürokratie.

Der 1936 in Buenos Aires geborene Regisseur Fernando Solanas gehört zu den Großen des lateinamerikanischen Kinos. Er hat bereits mit „Sur“ (1988) – ebenso durch die Musik Astor Piazzollas wie durch den in den vielen Nachtszenen schleichenden bläulichen Nebel berühmt geworden - und „El viaje“(1992) zwei sehr erfolgreiche Filme realisiert.

„La nube“ liegt ein Zeitungsbericht von einer Räumung zugrunde, wo die Behörden bei ihrer Ankunft feststellen, dass das betreffende Haus gar nicht mehr existiert.
Daraus entwickelt Fernando Solanas ein irrwitziges Szenario mit nicht weniger als zehn Hauptdarstellern bzw. –darstellerinnen und weiteren dreißig Figuren in Nebenrollen. Er vermischt meisterhaft Elemente des sozial engagierten lateinamerikanischen Volkskinos mit einer unbändigen poetischen Fabulierlust, wie wir sie etwa aus den Romanen des Kolumbianers Gabriel Garcia Marquez kennen.

Die beiden Hauptmetaphern des Films – die dunkle Regenwolke und der Rückwärtsgang der Menschen im täglichen Leben – versinnbildlichen drastisch die Befindlichkeit Argentiniens.

Fernando Solanas: „La nube ist ein Film über den Rückschritt und eine ziemlich poetische Metapher für die Art, wie sich unsere Gesellschaft bewegt. Dieser Film handelt von Grautönen und grau sind alle jene, die warten: Studenten, Rentner, Lehrer, Bauern, Forscher und Künstler. Sie repräsentieren den Großteil der Landsleute, jene die betrogen wurden, denen Rechte genommen wurden und Dinge entwendet wurden. Jene, die zu Opfern gezwungen werden, Geduld üben müssen, Schlange stehen und immer noch warten. Warten und hoffen, dass dieses Land wieder in Schwung kommt und sie für alle ihre Entbehrungen entschädigt.“

Direkt angesprochen werden in „La nube“ auch die Tausenden von Müttern, die Auskunft über das Schicksal ihrer während der Militärdiktatur (1976-83) „verschwundenen“ Söhne und Töchter fordern.

Der Film endet – trotz seiner melancholischen Grundstimmung – mit einem von Solanas selbst komponierten Tango, in dem es unter anderem heißt: „Wenn man dir sagt, unmöglich, glaub es nicht, es ist nicht wahr.“