Grbavica

Regie: Jasmila ˇBANIĆ
Drehbuch: Jasmila ˇBANIĆ, Barbara ALBERT
Kamera: Christine Al MAIER
Musik: Enes ZLATAR
Mit: Mirjana KARANOVIĆ, Luna MIJOVIĆ, Leon LUČEV, Kenan ĆATIĆ, Jasna Ornela BERRY, Dejan AĆIMOVIĆ u.a.

Ö/BIH/D/CRO 2005, ca. 90 Min.

Mittwoch, 6. Dez. 2006

Nachwirkungen des Bosnien-Kriegs

Esma (Mirjana Karanović) lebt mit ihrer 12-jährigen Tochter Sara (Luna Mijović) in Grbavica, einem Stadtteil von Sarajevo. Während des Krieges in Bosnien und Herzegovina war Grbavica von bosnisch-serbischen Truppen besetzt, die das überwiegend von bosnischen Moslems bewohnte Viertel zu einem Kriegslager umfunktionierten. Dort folterten und vergewaltigten sie Teile der Zivilbevölkerung.
Esma kommt als allein erziehende Schneiderin und Kellnerin nur knapp durch. Dass Sara so richtig zu pubertieren beginnt, macht die Sache auch nicht einfacher. Für einen Schulausflug ist wieder einmal eine größere Summe fällig. Die Kinder von Kriegshelden müssen weniger zahlen, und Sara fordert von ihrer Mutter die Bestätigung, dass ihr Vater ein solcher „Schechid“ war. Schließlich hatte Esma ihr all die Jahre erzählt, dass er im Kampf für sein Vaterland gefallen sei.
Diese Bestätigung gibt es aber nicht. Esma wollte ihrer Tochter die schmerzhafte Geschichte ihrer Herkunft ersparen, wollte ihr nie sagen, was sie ihr dann im Streit doch an den Kopf wirft: Sara ist der „Bastard eines Tschetniks“, eines serbischen Vergewaltigers. Nicht gewollt, gefürchtet, und dann doch so zart und schön und zerbrechlich.

Neben der auffällig schlichten und unangestrengten Regie ist es vor allem die Hauptdarstellerin Mirjana Karanović, deren mimische Ausdruckskraft beeindruckt. Um Esmas traumatische Erlebnisse zu vermitteln, bedarf es keiner filmischer Rückblenden. Der Schmerz, die Angst und das Entsetzen, die sich in ihre Seele eingebrannt haben, spiegeln sich allein in ihrem Gesicht, ihrer Köpersprache.

„Grbavica“ ist ein Plädoyer für das Leben, ohne zu beschönigen. Im Gegenteil: Der Krieg hat unübersehbare Spuren hinterlassen, vor deren Darstellung die 31-jährige Regisseurin Jasmila ˇBANIĆ, die den Krieg in Sarajewo selbst hautnah miterlebt hat, nicht zurückschreckt. Eindrucksvoll führt sie in ihrem ersten Spielfilm das leichtfüßige Pendeln zwischen Tragik und Lebensbejahung vor, ohne dabei an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Bei ihren Recherchen arbeitete sie eng mit der bosnischen Sektion der Gesellschaft für bedrohte Völker zusammen.

Auf der diesjährigen Berlinale gewann die bosnisch-österreichische Koproduktion überraschend den Goldenen Bären. (Titel in der BRD: „Esmas Geheimnis“.)

Die ausführliche Broschüre der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung kann als pdf-Datei herunter geladen werden. (Bitte auf "Broschüre" klicken.)