M. Eine Stadt sucht einen Mörder

Regie: Fritz LANG
Drehbuch: Fritz LANG und THEA v. HARBOU
Kamera: Fritz Arno WAGNER
Mit: Peter LORRE (1904–64), Gustaf GRÜNDGENS, Otto WERNICKE, Theo LINGEN u.a.

D 1931, ca. 100 Min.

Mittwoch, 12. Jänner 2005


Berlin, 1930. Im Off spricht ein Mädchen einen Abzählvers: "Warte, warte nur ein Weilchen, bald kommt der schwarze Mann zu dir ..."
Das Bild blendet auf: eine Gruppe spielender Kinder, eine Hausfrau bei der Arbeit, ein kleines Mädchen auf dem Heimweg. Sie lässt ihren Ball gegen die Litfasssäule springen. Die Kamera schwenkt hoch und erfasst ein Plakat: 10.000 Mark Belohnung sind für die Ergreifung eines Kindermörders ausgesetzt. Darüber schiebt sich der Schatten eines Mannes, der das Mädchen anspricht. Er kauft Elsie bei einem blinden Straßenhändler einen Luftballon und pfeift dabei eine Melodie aus "Peer Gynt" von Edvard Grieg.

Während die Kinder der Nachbarfamilien pünktlich nach Hause kommen, wartet Frau Beckmann vergeblich auf ihre Tochter. Dann ist Elsies Ball zu sehen, der aus einem Gebüsch rollt, und kurz darauf wird das ermordete Kind gefunden.

Die Angst der Menschen in der Stadt nimmt weiter zu, und auch die Hysterie: Ein älterer Herr, der von einem kleinen Mädchen nach der Zeit gefragt wird, seine Taschenuhr herauszieht und die Uhrzeit sagt, wird sogleich verdächtigt, dass er dem Kind etwas tun wollte, und beinahe gelyncht.
In der Unterwelt klagt man über die geschäftsschädigende Wirkung der erhöhten Wachsamkeit der Polizei. Die Ganovenbosse der Stadt (Gustaf Gründgens, Theo Lingen u. a.) verabreden sich zu einer Beratung über die Situation. Um endlich wieder einigermaßen ungestört "arbeiten" zu können, beschließen sie, selbst nach dem Mörder zu suchen und „die Bestie auszurotten“ ...

Zeitungsberichte über die Serienmörder Haarmann und Kürten brachten Fritz Lang und seine Ehefrau Thea von Harbou auf die Idee für einen Film über einen schizophrenen Kindermörder. Den spielt Peter Lorre mit rundlich-weichem, debilem Kindergesicht so eindringlich – sein psychischer Zusammenbruch vor dem Tribunal ist der Höhepunkt des Films – dass es ihm nie mehr gelang, sich völlig aus dieser Rollenfestlegung zu befreien.

Der Mörder wird hier nicht als Bestie, sondern als Triebtäter dargestellt, der nicht anders kann und darunter leidet. "M." zeigt ein ambivalentes Gesellschaftsbild: Die Hilflosigkeit der Polizei kontrastiert mit der Macht der Unterwelt, die systematischen Ermittlungen mit der panischen Angst und der Massenhysterie in der Bevölkerung.

Fritz Lang inszenierte "M." im Stil der "Neuen Sachlichkeit", und obwohl kein einziger Mord zu sehen ist, wirkt der Thriller spannend und beklemmend – vor allem durch die suggestiven Bilder mit krassen, expressionistischen Lichtkontrasten (wie z. B. der Schatten des Mörders an der Litfasssäule).

Wegweisend in der Filmgeschichte war die Parallelmontage einer Lagebesprechung der Polizei und des Ganoventreffens: Ständig wird zwischen den beiden Schauplätzen gewechselt; Ganoven beenden von Polizisten gesprochene Sätze und umgekehrt. "M. Eine Stadt sucht einen Mörder", Fritz Langs erster Tonfilm, gilt zu Recht als stilbildender Klassiker.

Der Arbeitstitel für den Film, „Mörder unter uns“, wurde von der  Studiofirma als vermeintlicher Angriff gegen die bereits mächtige NSDAP verstanden und musste von Lang geändert werden. Seine sarkastische Schilderung von Menschenjagd und Massenhysterie, sowie Peter Lorres geniale Interpretation des Mörders als Täter und Opfer zugleich wurden von den Nazis tatsächlich als subversiv empfunden – und nach ihrer  Machtübernahme 1933 verboten.