Ein blutroter Morgen
Regie: Li SHAOHONG
Drehbuch: Li SHAOHONG u. Xiao MAO, frei nach “Chronik eines angekündigten Todes” von Gabriel García Márquez
Kamera: Zeng NIANPING;
Mit: Hu YAJIE, Zhao JUN, Xie XAN, Kong LIN, Lu HUI, Wang
GUANQUAN ...
China 1990, ca. 105 Min.
Mittwoch, 6. Dez. 2000
Ein chinesischer Dorflehrer sinkt blutüberströmt über seinen Büchern und Heften zusammen. Er wurde mit der Axt erschlagen, weil er einer Frau die Unschuld genommen haben soll. Um ihn stehen die Einwohner des Dorfes und starren in die winterliche Leere.
Sie sind herbei geeilt, weil sie wussten, was geschehen würde, weil sie nicht glauben wollten, dass es geschehen könnte.
Auf der Gefühlsebene scheint der Mord verständlich. Ein im Verlauf der wirtschaftlichen Öffnung Chinas zu Wohlstand gekommener junger Mann will die Schwester jener beiden Brüder heiraten, die später zu den Tätern werden. In einem Trinkgelage, wo man gerne Geschäfte abschließt und über Frauen und deren Zukunft verhandelt, werden sie sich handelseins.
Doch in der Hochzeitsnacht scheint sich herauszustellen, dass die Braut nicht mehr Jungfrau war und somit Schande über ihre ganze Familie gebracht hat. Sehr schnell und stillschweigend kommen die Dorfbewohner zum Einverständnis, dass der Lehrer verantwortlich sei für die Entehrung des Mädchens, denn in ihren Augen stellt er als „Intellektueller“ ein fremdes Element dar, dem am ehesten zu misstrauen ist.
Täter und Opfer sind von Anfang an bekannt. Und doch kann kein Krimi spannender, beklemmender sein als diese zeitnahe und doch universelle Chronik menschlichen Verhaltens. Warum? Weil wir uns, als betroffene Zeugen, mitten im Geschehen befinden.
Mehr als die Tat interessiert, was den Mord möglich macht. Wer ihn verhindern könnte und warum alle wie gelähmt zusehen, wie es zur Bluttat kommt. Niemand im Dorf vermag zu handeln, sich direkt verantwortlich zu fühlen, alle verstecken sich hinter dem Chef. Dies macht den doch in der chinesischen Realität verwurzelten Film so allgemein gültig: Dieser blutrote Morgen wäre überall möglich, jederzeit. Und durch die sensationellen Bilder, die uns das Fernsehen vermittelt, werden wir täglich zu tatenlosen Zuschauern. Das waren wir auch, als in Beijing auf Studenten geschossen wurde.
Der 2. Spielfilm der 1955 geborenen Li Shaohong, 1990 entstanden, wurde nach wenigen Vorführungen in China und auch für den Export verboten und erlebte erst 1992 in Locarno seine Weltaufführung.
Weitere Filme der Regisseurin: Family Portrait (1992), Blush (1994), The Red Suit (2000).
Die „Chronik eines angekündigten Todes“ des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez spielt in dessen kolumbianischer Heimat, wo die traditionellen Vorstellungen von weiblicher Tugend und Sitte, wo Doppelmoral und (Wiederherstellung der) Familienehre eine todbringende Mischung ergeben. (dtv-Taschenbuch) Die Verfilmungvon Francesco Rosi (1987) erreicht die Qualität der literarischen Vorlage leider nicht. Li Shaohongs Film kann hingegen als eigenständiges Originalwerk gelten.
Drehbuch: Li SHAOHONG u. Xiao MAO, frei nach “Chronik eines angekündigten Todes” von Gabriel García Márquez
Kamera: Zeng NIANPING;
Mit: Hu YAJIE, Zhao JUN, Xie XAN, Kong LIN, Lu HUI, Wang
GUANQUAN ...
China 1990, ca. 105 Min.
Mittwoch, 6. Dez. 2000
Ein chinesischer Dorflehrer sinkt blutüberströmt über seinen Büchern und Heften zusammen. Er wurde mit der Axt erschlagen, weil er einer Frau die Unschuld genommen haben soll. Um ihn stehen die Einwohner des Dorfes und starren in die winterliche Leere.
Sie sind herbei geeilt, weil sie wussten, was geschehen würde, weil sie nicht glauben wollten, dass es geschehen könnte.
Auf der Gefühlsebene scheint der Mord verständlich. Ein im Verlauf der wirtschaftlichen Öffnung Chinas zu Wohlstand gekommener junger Mann will die Schwester jener beiden Brüder heiraten, die später zu den Tätern werden. In einem Trinkgelage, wo man gerne Geschäfte abschließt und über Frauen und deren Zukunft verhandelt, werden sie sich handelseins.
Doch in der Hochzeitsnacht scheint sich herauszustellen, dass die Braut nicht mehr Jungfrau war und somit Schande über ihre ganze Familie gebracht hat. Sehr schnell und stillschweigend kommen die Dorfbewohner zum Einverständnis, dass der Lehrer verantwortlich sei für die Entehrung des Mädchens, denn in ihren Augen stellt er als „Intellektueller“ ein fremdes Element dar, dem am ehesten zu misstrauen ist.
Täter und Opfer sind von Anfang an bekannt. Und doch kann kein Krimi spannender, beklemmender sein als diese zeitnahe und doch universelle Chronik menschlichen Verhaltens. Warum? Weil wir uns, als betroffene Zeugen, mitten im Geschehen befinden.
Mehr als die Tat interessiert, was den Mord möglich macht. Wer ihn verhindern könnte und warum alle wie gelähmt zusehen, wie es zur Bluttat kommt. Niemand im Dorf vermag zu handeln, sich direkt verantwortlich zu fühlen, alle verstecken sich hinter dem Chef. Dies macht den doch in der chinesischen Realität verwurzelten Film so allgemein gültig: Dieser blutrote Morgen wäre überall möglich, jederzeit. Und durch die sensationellen Bilder, die uns das Fernsehen vermittelt, werden wir täglich zu tatenlosen Zuschauern. Das waren wir auch, als in Beijing auf Studenten geschossen wurde.
Der 2. Spielfilm der 1955 geborenen Li Shaohong, 1990 entstanden, wurde nach wenigen Vorführungen in China und auch für den Export verboten und erlebte erst 1992 in Locarno seine Weltaufführung.
Weitere Filme der Regisseurin: Family Portrait (1992), Blush (1994), The Red Suit (2000).
Die „Chronik eines angekündigten Todes“ des Nobelpreisträgers Gabriel García Márquez spielt in dessen kolumbianischer Heimat, wo die traditionellen Vorstellungen von weiblicher Tugend und Sitte, wo Doppelmoral und (Wiederherstellung der) Familienehre eine todbringende Mischung ergeben. (dtv-Taschenbuch) Die Verfilmungvon Francesco Rosi (1987) erreicht die Qualität der literarischen Vorlage leider nicht. Li Shaohongs Film kann hingegen als eigenständiges Originalwerk gelten.
