Zug des Lebens

Regie u. Drehbuch: Radu MIHAILEANU
Kamera: Yorgos ARVANITIS, Laurent DAILLARD
Mit: Lionel ABELANSKI (Shlomo), RUFUS (Mordechai), Clement HARARI, Michel MULLER, Bruno ABRAHAM-KREMER, Agathe de la FONTAINE

F/B/RO/NL 1998, ca. 105 Min.

Mittwoch, 22. Nov. 2000

Darf man mit jüdischem Humor und jüdischer Klezmer-Musik die Ausrottung der Juden thematisieren?
"Man nannte uns antisemitische Irre", sagt Regisseur Mihaileanu. Dabei ist "der Humor meines Volkes ein Schutzschild gegen den Wahnsinn."

Der Film ist eine Holocaust-Komödie – vom Schluss her gesehen natürlich mit tragischem Ton -, aber kein Plagiat von Benignis "Das Leben ist schön". Er war früher geplant, konnte aber aus Geldnot lange nicht gedreht werden.

1941. Der Dorfnarr überbringt eine schreckliche Nachricht: Die Nazi-Truppen rücken immer weiter vor, jüdische Dörfer werden eliminiert, die Bewohner getötet oder deportiert. Noch am selben Abend ruft der Rabbi der kleinen osteuropäischen Gemeinde den Rat der Weisen ein, um einen Ausweg aus der lebensbedrohlichen Gefahr zu finden.

Wenn der Wahnsinn um sich greift, kann der Einfall eines Verrückten kostbar sein. Zwar widerstrebt er jeder Vernunft, zwar bringt er den Rat der Weisen in Aufruhr, aber die Idee ist geboren, die alle Angst verbannen soll: Um den Deutschen zuvorzukommen, wollen die Bewohner des Schtetls einen Deportationszug aufs Gleis bringen, um damit über Russland ins Gelobte Land, nach Palästina, zu fliehen, vorbei an den Kontrollen der Nazis, weg aus dem Land, das sie lieb gewonnen haben.

Mit viel Witz bereiten sie alles vor, besorgen falsche Papiere und Proviant und sogar einen Zug. Jene, die als Nazis fungieren, lernen Deutsch ohne jiddischen Akzent: "Es heißt Führer, nicht Fihrer."

Zur Premiere des Films in Berlin reiste der Regisseur Radu Mihaileanu mit seinem Vater Ion an. Im rumänischen Iasi, berichtet Ion Mihaileanu, wurde die Deportation der jüdischen Bevölkerung mit dem barbarischen Akt eingeleitet, die Menschen in einen Zug zu drängen, der sich im Kreis  bewegte. In diesem „Zug des Todes“ wurden sie ermordet. Ion Mihaileanu überlebte, währen sein Bruder und seine Neffen den Tod fanden. Radu Mihaileanu hat dem Todeszug, den sein Vater erlebt hatte, mit „Zug des Lebens“ ein Sinnbild erschaffen, das den jüdischen Humor gegen die Barbarei setzt, die Idylle des Schtetls gegen die Todeslager, die Komödie gegen die Tragödie seines Volkes, die er damit aber nicht verharmlost.

Filmkomödien zum Thema: Ernst Lubitsch „Sein oder Nichtsein“ (1942 - s. ARCHIV 28.3.2007), "Jakob, der Lügner“ (nach dem Roman von Jurek Becker, DDR 1974 und F/USA 1999), Roberto Benigni: „Das Leben ist schön“ (der Startfilm des Filmklubs - 22.9.1999).