Fahrenheit 9/11

Regie u. Drehbuch: Michael MOORE
Kamera: Mike DESJARLAIS
Musik: Craig ARMSTRONG

USA 2004, ca. 120 Min.

Mittwoch, 27. Okt. 2004


Michael Moores Dokumentation über die Machenschaften der Bush-Administration ist ein emotional aufputschender, polarisierender Film, der mit „klassischen“ Dokumentarfilm-Regeln bricht, um sein erklärtes politisches Ziel zu erreichen: Bush muss weg!

Ist Fahrenheit 9/11 nun also ein verwerflicher Dokumentarfilm, weil Moore so eindeutig Partei ergreift? Oder ist er doch ein guter, weil er geschafft hat, was bisher noch keinem Dokumentarfilm gelungen ist: sich an die Spitze eines US-Startwochenendes zu katapultieren und der erfolgreichste „Non-Fiction-Film“ aller Zeiten zu sein?

Unter den Dokumentarfilmern ist Moore mit Abstand am filmischsten. Besonders gut kommt diese Stärke bei den bisher nie gesehenen Aufnahmen vom Untersuchungsausschuss zur Wahlauszählung in Florida 2000 vor dem amerikanischen Repräsentantenhaus zum Ausdruck. Die afro-amerikanischen Repräsentant/innen treten eine/r nach dem/der anderen ans Rednerpult, um offiziell Beschwerde über die Unterdrückung  der afro-amerikanischen Wähler einzureichen. Eine einzige Senatorenstimme wird zur Durchsetzung ihres Antrags benötigt, doch keiner der Senatoren ist bereit, ihren Antrag zu unterstützen.
Moore pointiert in dieser Sequenz die schiere Verzweiflung, die langsam in Wut umschlägt, dramaturgisch sehr geschickt mit einer Hintergrundmusik, die ihre emotionale Wirkung nicht verfehlt. Das Emotionale und das Politische gehen in Fahrenheit 9/11 ein gewagtes Bündnis ein.

Das wird besonders augenfällig in der zweiten, emotionaleren Hälfte des Films, in der Moore sich fast komplett zurücknimmt und Lila Lipscomb, die Mutter eines gefallenen Soldaten aus seiner Heimatstadt Flint, als heimliche Hauptfigur einführt. In ihr, einer konservativen Demokratin und ehemaligen Kriegsbefürworterin, hat Moore die ideale Identifikationsfigur für ein geläutertes Amerika gefunden. Und er lässt so lange nicht von ihr ab, bis sie schließlich weinend vor dem Weißen Haus zusammenbricht.

Goldene Palme, Cannes 2004


Weitere Filme von Michael Moore im Filmklub-Programm:
"Bowling for Columbine" (12.3.2003), "Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte" (10.2.2010)